Fes die Handwerkerstadt

Wir haben noch einiges zu erledigen am Morgen, wie immer wenn wir auf einem Campingplatz sind. Doch heute haben wir einen fixen Abfahrtstermin. So früh wie wir dachten, sind wir doch nicht. Die holländische Truppe ist schon fast abfahrbereit.

An der Rezeption machen wir Bekanntschaft mit der marokkanischen Pünktlichkeit. Unser Führer verspätet sich und lässt sich durch den Portier entschuldigen. Bei ihm zu hause sind gerade Malerarbeiten im Gange und er wurde durch die Handwerker aufgehalten.
Um all den Eindrücken vom heutigen Tag gerecht zu werden, müsste ich wohl ein halbes Buch füllen. Ich versuche mich kurz zu halten und trotzdem möglichst viel rüber zu bringen.
Mit unserem Bus fahren wir mit einer halben Stunde Verspätung los. Zuerst machen wir halt, an einem Aussichtspunkt, der auch im Reiseführer beschrieben ist. Man hat von hier aus eine tolle Sicht über beinahe die ganze Stadt. Weiter gehts zum Königspalast und durch das ehemalige Juden und Andalusierviertel.

Während der ganzen Zeit erzählt er uns spannende Dinge aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Den nächsten Halt machen wir bei einer Töpfer- Genossenschaft und Schule. Wir erhalten einen interessanten Einblick in das Handwerk der Töpferei und Mosaikkunst, um Brunnen und Tische zu fertigen. Natürlich werden wir auch in den Laden geführt, aber zum Kauf gedrängt, wie man das vieleicht vermuten könnte, werden wir nicht. Trotzdem, oder gerade deshalb, erstehen wir ein Mitbringsel.
Danach fahren wir zur Medina. Das ist die Altstadt einer jeden Marokkanischen Stadt. Die von Fes ist Teil des Unesco Weltkulturerbes. Noch ein wenig ausserhalb liegt das Gerber Viertel. Hier werden Tierhäute aus dem ganzen Land angeliefert und verarbeitet. Schon am Fluss, der mittendurch fliesst, sehen wir Leute beim Felle waschen. Wir werden, mit einem Halm Minze gegen den beissenden Geruch ausgerüstet, auf das Dach eines Hauses geführt. Von dort hat man einen guten Überblick über die Maschinerie dieses Handwerks und es werden uns die einzelnen Arbeitsschritte erklärt.
Wir sind auch hier in einer Genossenschaft und natürlich will man uns auch hier etwas verkaufen. Wir merken schnell, das die Marokkaner super Verkäufer sind. Sie machen es mit einer guten Mischung aus sympatischer Aufdringlichkeit und ungezwungenheit. Man fühlt sich nie unter Druck, hat aber trotzdem den Wunsch, die angepriesene Ware zu besitzen. Schlussendlich kommen wir mit zwei neuen Lederjacken aus dem Haus. Als der Verkäufer seinen Preis nannte, sagten wir ihm, dass wir sowieso zu keinem gemeinsamen kommen werden und wir es lieber sein lassen. Doch er bestand darauf unser Höchstgebot zu hören, auch wenn es noch so niedrig sei. Für nur ganz wenig mehr als das war der Handel dann beschlossene Sache. Zu knapp einem Drittels des anfänglichen Preises.
Nun folgt ein langer Rundgang durch das Labyrinth von Gassen der Medina. Alleine wären wir hoffnungslos verloren gewesen. Immer wieder besuchen wir Handwerksbetriebe und können bei der Arbeit zuschauen. Hätten wir nicht schon einen teuren Einkauf getätigt, wäre es viel schwerer geworden, den etlichen schönen Dingen zu widerstehen. Wir sehen Metallverarbeiter, Messerschleifer, Tischler, Teppich- und Seideweber, Kosmetiker und natürlich Händler jeder erdenklichen Art.
Unser Reiseleiter weiss viel zu erzählen und man merkt, das er sich auskennt und hier zu Hause ist und nicht einfach sein Programm abspuhlt. Er schwatzt kurz mit allen möglichen Leuten, krault seine Lieblingskatze oder bezahlt zum Beispiel beim vobeigehen sein frisch geschliffenes Messer und zeigt uns seine Kupferlampe, die er immer noch am abzahlen ist. Er kauft uns zwischendurch einen Snack, eine art fritierter Kartoffelstock und kauft auch für sich selbst ein. Von den Mandarinen verschenkt er immer wieder ein paar.
Unterwegs schauen wir uns auch die Sehenswürdikeiten wie die älteste Koranschule der Welt oder Moscheen und Heiligtümer an. Leider darf man als nicht Muslim nicht hinein, aber der Blick durch die imposanten Tore ist auch schon faszinierend.

Zum Mittagessen setzen wir uns in ein Restaurant. Unser Guide hat uns noch gefragt, ob diese Preisklasse Ok sei und wir haben ja gesagt. Ein viel günstigeres wäre sicher auch gut gewesen, aber es war eine tolle Erfahrung zur Vorspeise neun verschiedene Salate aufgetischt zu bekommen. Von den anderen Gängen und der Duftwasserdusche zum Schluss ganz zu schweigen.

In einem Seidenladen können wir knapp der traditionellen Kleider und schönen Tücher wiederstehen, eine neue Handtasche gibt es dann trotzdem.
Wir verabschieden uns bei einem Supermarkt, denn zum Camping müssen wir nicht zurück. Hier gibt es auch Bier und Wein, wie er uns erklärt, doch uns zieht es weiter. Obwohl er fast doppelt so lange mit uns unterwegs war wie vereinbart, verlangt er nur den ursprünglichen Preis und gibt uns seine Handynummer, falls wir in Schwierigkeiten geraten würden. Den Sack mit den
Mandarinen lässt er auch noch da und macht sich auf den Weg.
Auch wir fahren wieder los. Um aus der Stadt hinaus zu finden, wollen wir das Navi zur Hand nehmen, aber bis das mal funktioniert, sind wir längst draussen. Wenn man sich mal mit der marokanischen Beschilderung angefreundet hat, klappt das ganz gut, auch wenn vieles nicht, oder nur auf arabisch angegeben ist.
Irgendwo zwischen Fes und Meknes biegen wir von der Hauptstrasse ab, um einen Nachtplatz zu suchen. Der erste Versuch schlägt fehl und die Strasse endet bei einem Hof. Beim zweiten fahren wir ein schlammigen Weg durch einen Olivenhain hinab und finden etwas Platz unten auf den
Feldern.

Le Hobbit

Es ist sehr spannend in unserem ausführlichen Reiseführer zu stöbern, zu lesen und Routen zurecht zu legen. Wir sind jetzt schon einiges weiter als auch schon. Viele Stationen sind mehr oder weniger fix und wir wissen, wo wir durchfahren wollen. Wir erfahren viel über das vielschichtige Land und seine Leute. Es macht für uns den Eindruck, als hätte Marokko den Spagat zwischen dem westlichen und dem Arabisch islamisch- und berberischen gut gemeistert. Es hat sogar schon etliche Male eine Vermittlerrolle eingenommen. Was nicht heisst, das es nicht mit vielen eigenen Problemen zu kämpfen hat.

Als wir aus dem Bus kommen, sind bereits Leute auf dem Feld an der Arbeit. Hier wird jedes Fleckchen fruchtbare Erde bestellt und es leuchten die Hügel in einem intensiven Grün.

Unser Bus ist irgendwo auf der Beifahrerseite nicht ganz dicht und es regnet ein wenig hinein. Viel mehr als ignorieren können wir es nicht, denn wir wissen nicht woher es kommt.
Wir fahren weiter nach Fes. Es ist schön, wieder in einer Region zu sein, in der man von den Fussgängern ab und zu gegrüsst wird. Man bekommt sogar Schulterklopfer von Polizisten bei einer Kontrolle!

Die Stadt ist schnell erreicht und bald sind wir mitten drin im Gewusel. Eine Abzweigung haben wir falsch genommen und schon ist es passiert. Am Stadtrand stehen überall Busse, Last- und Lieferwagen und Dreirädrige Motorräder mit Ladefläche die Menschen und Waren in die Stadt bringen. Der Verkehr ist dementsprechend chaotisch, aber trotzdem gut zu meistern. Nadine meint, es sei ähnlich wie in Vietnam, nur dass dort jeder freie Zwischenraum mit Mofas gefüllt ist. Ein bisschen weiter landen wir mitten im Markt. Schrittempo erreichen wir kaum, doch so erhaschen wir erste Einblicke ins marokkanische Stadt treiben. Zu allem Überfluss geraten wir noch in eine Einbahnstrasse. Von der falschen Richtung her, versteht sich. Eine Tafel haben wir nicht gesehen, aber die entgegenkommenden Automobilisten weisen uns darauf hin. Wir schaffen es wieder hinaus und auch das Navi auf dem Handy funktioniert nun. Wir haben mit unserer Simkarte einen super Deal gemacht, was die Leistungen angeht, doch das Internet funktioniert auf dem Land kaum. Jetzt in der Stadt reicht es für die Navigation. Das Kino in der Neustadt finden wir auf Anhieb und auch ein bewachter Parkplatz ist in der Nähe.
Dort essen wir zuerst mal zu Mittag und laden die Blogs gleich mit Bildern hoch. Dann schauen wir nochmals, wann der Hobbit läuft. Es bleibt uns mehr als genug Zeit, herumzuschlendern. In der Neustadt sind die Häuser recht neu und von den Reicheren gebaut. Die Strassen sind breit und lärmig und auf dem Gehweg flanieren auch sehr westlich gekleidete Leute (ja, auch viele Frauen ohne Kopftuch). In den hintern Strassen ist es ruhiger und „marokkanischer“, mit vielen kleinen Geschäften und Teestuben.
Wieder beim nun offenen Kino, kaufen wir uns zwei Karten und versuchen uns an den französischen Filmzeitschriften. Wir müssen uns auf die Sprache einstimmen, wenn wir vom Film etwas verstehen wollen. Es scheint hier üblich zu sein zu spät zur Vorstellung zu kommen oder mittendrin aufzustehen und hinaus zu gehen. Wirklich stören tut es nicht, ist aber schon ein wenig irritierend. Den Film Wort für Wort zu verstehen geben wir schnell auf, aber die Zusammenhänge lassen sich leicht erschlissen, und die Dialoge können wir meist im groben verstehen. Wir haben ja das Buch gelesen. Uns hat es beiden auf jeden fall gut gefallen.
Nun fahren wir zum Campingplatz. Ich habe schon vermutet, dass es der selbe ist, auf dem ich vor ein paar Jahren schon einmal war. Und tatsächlich. Aber der Eingang ist nicht mehr am selben Ort. Ein Mann erklärt uns, dass wir einmal rundherum fahren müssen. Dort sieht es auch völlig anderst aus. Eine prunkvolle Rezeption mit vielen Bungalows daneben steht dort und auch die sanitären Anlagen sind neu.

Nachdem wir uns eingerichtet haben kommt ein sympatischer Marokkaner zu uns und spricht uns in gutem Deutsch an. Er ist ein offizieller Fremdenführer (inoffizielle beziehungsweise illegale gibt es auch viele, aufdringliche bis hin zu gefährlichen in der Stadt). Er würde uns gerne Fes zeigen. Was er uns erzählt klingt gut und auch der Preis scheint angemessen zu sein. Wir hatten uns das ohnehin überlegt, weil Fes so gross ist und auch viel zu bieten hat. Also sagen wir zu, uns morgen Früh mit ihm zu treffen.

Nach einem gelungenen Versuch, selbst Nudelsuppe zu machen, statten wir unseren einzigen Nachbarn einen Besuch ab.

Rund um ein grosses Feuer sitzt eine lustige Truppe aus Holland, die in Spanien lebt. Sie sind sozusagen auf einer Testfahrt bis nach Dakar für die nächste Reise. Aber auch diese Tour haben sie bereits getestet, beziehungsweise ihre Autos (top ausgerüstete Landrover und ein Landcruiser, sogar mit Offroadanhäner), mit einem Ausflug rund um Marokko vor ein paar Monaten. 2015 wollen sie bis nach China fahren. Nach einem Bier mit ihnen gehen die Jungen ins Bett. Wir sind müde.