Bleifrei

In unserer WG waren wir uns Ende Dezember einig. Wir haben zu viel Alkohol getrunken in letzter Zeit. Es reicht!

Darum beschliessen wir, einen Alkohofreien Januar. Aber halt.. ich hab da noch ein Klassentreffen, Anina hat noch Geburtstag, wir gehen zusammen an ein Konzert und so weiter.. na gut, wir haben je drei Jocker zu Verfügung, die wir selber einsetzen können, dafür wird die Frist verlängert, bis Mitte Februar, bis Aninas Freund Kaitan vom Reisen wieder da ist.

Ich habe das Gefühl ich trinke sehr wenig Alkohol. Alleine zu Hause sowieso nicht. Wenn man ganz darauf verzichtet, wird einem wiedermal krass vor Augen geführt, das man falsch liegt (wie beim Fleisch). Ich trinke nur bei speziellen Gelegenheiten, die gibt es aber zu hauf. Ein Problem zu verzichten ist es aber nicht. Es wäre vielfach einfach noch nett, ein Glas Wein oder ein Bier zu trinken, man kann es aber gerade so gut sein lassen. Die Reaktionen der andern sind ganz natürlich und dennoch eigentlich ein wenig verstörend. Man wird sofort gefragt, warum man dann kein Alkohol trinke. Man muss sich also rechtfertigen, für etwas das man nicht tut. in unserem Fall kein Problem. Wir haben ja eine Abmachung auf die man verweisen kann. Was ist aber, wenn man einfach ein bisschen weniger (häufig) trinken will? Dann kommt man schnell in Erklärungsnotstand. Es ist ja von allen nicht böse gemeint, aber ein gewisser Gruppendruck entsteht automatisch und statt sich zu erklären nimmt man dann doch ein Bier. Das sollte doch umgekehrt sein! Alkohol ist schliesslich die Droge mit den meisten Toten und richtet fast in jedem Organ des Körpers schaden an.. Versteht mich nicht falsch.. ich mag Alkohol, manchmal auch ein wenig zu sehr, und ich habe auch keinen Lösung wie man das umkehren kann. Wahrscheinlich würde es schon viel helfen, wenn man einfach gar nicht mehr nach dem Wieso fragt.

Auf jeden fall haben wir die Alkoholfreie Zeit gut überstanden. Ich habe eine Erwartungen übertroffen und habe nur einen Jocker gebraucht und Nadine sogar gar keinen!

Nichts neues mehr. Meine Nachhaltigkeit.

Wenn man beim Footprint Rechner seinen ökologischen Fussabdruck berechnen lässt, erschrickt man meist. Ich auf jeden Fall! So eine gewaltige Menge an CO2. Da wären ein Paar Erden notwendig, für leute wie mich.. und ich beschäftige mich ja doch des öfteren mit dem Thema.

Aber man kann sehr viel tun. Drei grosse Punkte, die man einfach beeinflussen kann sind die Ernährung, der Transport und der Konsum. Die ersten zwei Punkte habe ich schon in Angriff genommen. Ich bin Vegetarier geworden und esse sonstige tierische Produkte nur noch selten. Ausserdem kaufen wir möglichst regional, saisonal und unverpackt ein.

Ich verzichte wo es geht auf das Auto (Ausflüge mit dem Bus als Schlafplatz mal ausgenommen). Im Winter ist er nicht ein mal eingelösst. Und Ich habe beschlossen nicht mehr zu fliegen.

Beim Konsum ist es schon etwas schwieriger, sich klar fest zu legen. „weniger“ konsumieren ist sehr diffus und kaum messbar. Darum habe ich mir vorgenommen einfach nichts neues mehr zu kaufen. Ausgenommen natürlich Esswaren und Dinge wie WC Papier (Taschentücher hingegen brauche ich nur noch solche aus Stoff, genauer gesagt, Stoffresten).

Das meiste, was man kauft, ist gar nicht nötig. Man hat sooo viel Krempel zu Hause. Meist findet man sogar bei sich selbst einen Ersatz, für das, was man eigentlich kaufen wollte. Oder man nimmt etwas, dass man schon hat und baut es um, hübscht es auf, oder was auch immer.

Wenn das nicht geht, kann man das Objekt der Begierde oftmals auch ausleihen, denn sind wir mal ehrlich. Viele dinge brauchen wir extrem selten. Da lohnt es sich sogar zu mieten. (Zum Beispiel auf der Mietplatform https://www.sharely.ch.

Wenn man dort auch nicht fündig wird, oder seine Socken doch lieber selber besitzt, gibt es fast alles gebraucht. Sei es auf Flohmärkten, in Brokenhäuser, auf Facebook oder www.ricardo.ch. Es mag mühsam erscheint, doch es macht sogar Spass auf die Jagt nach einem guten Gebraucht-Gegenstand zu gehen. Das Erfolgserlebnis ist ungemein grösser, als wenn man einfach etwas von der Stange kauft und hat Zeit, sich zu überlegen, ob man ihn auch wirklich braucht.

Alleine mit dem nicht kaufen ist es aber noch nicht getan. Ich war vor kurzem an der Büüli-Mäss und habe mir doch tatsächlich ein Hipsterbag als Werbegeschenk andrehen lassen. Auch sonst ist es nicht ganz einfach mit den Geschenken. Das muss man klar kommunizieren und das braucht etwas Überwindung und Zeit.

Konsum bringt ja bekanntlich Befriedigung. Die Kunst besteht meines erachtens darin, das ganze um zu drehen. Viele sagen Vegi sein, weniger Konsumieren, nicht Fliegen etc. sei gar kein Verzicht. Meiner Meinung nach stimmt das überhaupt nicht. Es ist ein Verzicht! Ein grosser sogar, aber einer, der richtig viel Freude machen kann. Ich fühle mich gut, wenn ich etwas nicht gekauft habe, oder eine Aubergine auf dem Grill habe. Nicht weil ich gegrilltes Gemüse so toll finde, nicht weil ich Fleisch nicht mag, nein. Weil ich etwas gutes aus Überzeugung machen kann (oder eben nicht tue) und auch einhalte.

Pause

Mir wird das ganze der letzten Tage langsam ein bisschen zu viel und so beschliesse ich, heute Abend zu Hause zu bleiben. Ich merke, wie es mir richtig gut tut, mal wieder für mich alleine zu sein. Ich führe in der Schweiz ein recht sparsames und bescheidenes Leben. Andere würden es sogar als geizig bezeichnen. Natürlich mit Ausnahmen (wie zum Beispiel dem VW Bus). Was ich hier erlebe, ist das pure Gegenteil. Es ist eine Welt, die ich vor Nadine so nicht gekannt habe. Ich kann das sehr gut geniessen und bin unheimlich dankbar, dass ich das alles erleben darf. Doch heute brauche ich einfach eine Pause. Eine Pause davon so verwöhnt zu werden, aber auch davon, immer so viele Leute um sich zu haben. Denn wenn alle da sind, kann ich mich im Gegensatz zu Nadine nicht so recht in mein Zimmer zurückziehen und für mich etwas machen. Ich will immer mittendrin sein, nichts verpassen, den anderen Gesellschaft leisten und ein Teil der Gruppe sein. Doch irgendwann wird mir das zu viel und ich muss mich ganz ausklinken. Ganz oder gar nicht.

Ich glaube ich habe im letzten Jahr während des Zivildienstes einen starken Wandel durchlebt. Genug Zeit zum Nachdenken hatte ich ja. Ich hatte schon immer grundsätzlich etwas gegen Konsum und war mir der Umwelt und dessen Schädigung bewusst. Ich war in meiner Jugend nicht durch Zufall, sondern aus Überzeugung ein grüner, anarcho-kommunistischer Punk. Die Überzeugungen haben sich nicht geändert, nur die Prioritäten. Ich muss mich nicht mehr gegen alles auflehnen, sondern handle stattdessen stärker nach meinen Prinzipien. Ich überlege mir vier mal, ob ich etwas wirklich brauche (statt zwei mal wie bisher). Kaufe bewusst fairer, nachhaltiger, biologischer, und verpackungsärmer ein und dafür weniger. Ich kaufe selber kein Fleisch mehr. Ich spare, um mehr arbeitsfreie Zeit zu haben und somit im Endeffekt viel weniger Geld für unnötigen Konsum ausgeben zu müssen.

Und jetzt bin ich hier. Überesse mich meist drei mal am Tag und trotzdem bleibt fast immer etwas übrig. Bei jeder Malzeit gibt es Fleisch aus einer Haltung die ich lieber nicht kenne. Schlafe in noblen Hotels, die alles waschen müssen, nachdem ich eine Nacht dort war. Plantsche in einem grossen Pool mit klarem Wasser, während andernorts Kinder verdursten. Und lasse mich bedienen wie ein König. Diese Scheinheiligkeit um nicht zu sagen Dekadenz, lässt mich an Tagen wie heute etwas nachdenklich stimmen.

Versteht mich nicht Falsch, es ist sau geil hier und ich werde sicher immer wieder gerne hierherkommen um das Leben in vollen Zügen zu geniessen. Das musste einfach mal raus. *Pause Ende*